

Empowerment kommt aus dem Englischen. Empowerment meint das Steigern der politischen, sozialen, ökonomischen und spirituellen Stärke einer Person oder Community (Gemeinschaft). Dies ist besonders bedeutsam bei Menschen, die von andauernder und alltäglicher Diskriminierung zum Beispiel durch Rassismus, Sexismus, oder Klassismus betroffen sind. Empowerment marginalisierter Personen und Communities (die wenig Macht haben) ist wichtig, um Kraft zu schöpfen. Für eine diskriminierungssensible Gesellschaft braucht es zugleich auch Powersharing durch diejenigen, die viel Macht haben.
Zwei Ebenen von Empowerment
Empowerment als
Selbstermächtigung

Viele Menschen haben in bestimmten Berufen oder an der Hochschule das Gefühl nicht richtig dazu zu gehören. So sind Frauen in technischen Berufen immer noch die Ausnahme, genauso wie Schwarze Professor:innen oder taube Manager:innen. Sie werden oft stereotyp behandelt und müssen sich für ihre Anwesenheit rechtfertigen (s. Tokenism). Andere Menschen in den Medien als IT-Spezialistin oder taube Manager:in zu sehen, kann daher eine Quelle der Selbstermächtigung sein (s. Repräsentation).
Selbstermächtigung meint, dass sich benachteiligte und ausgegrenzte Menschen aktiv ihre Macht, Kraft und Gestaltungsmöglichkeiten (wieder)aneignen. Was das genau bedeutet, kann für jede Person unterschiedlich sein. Es geht also einfach gesagt um Selbsthilfe und Selbstorganisation von Betroffenen. Auch die professionelle Unterstützung darin, zur Selbstermächtigung zu finden, kann als Empowerment definiert werden.
Empowerment als Veränderung
von Machtstrukturen

Individuelle Bestärkung und Repräsentation sind wichtige Aspekte von Empowerment. Sie reichen alleine jedoch nicht aus, um gesellschaftliche Machtstrukturen und sozialen Ungleichheiten zu verändern.
Ein weiterer Aspekt von Empowerment ist daher die gemeinsame Veränderung ungleicher Machtstrukturen. Sie zielt darauf, mehr soziale Gerechtigkeit und Teilhabe aller am gesellschaftlichen Reichtum zu gewährleisten. Im Bereich der Medien bedeutet dies beispielsweise, mehr einflussreiche Positionen in Redaktionen oder Filmjuries mit Menschen of Color oder Personen mit Beeinträchtigungen zu besetzen.
Empowerment zur Veränderung von Machtstrukturen ist eng verbunden damit, dass benachteiligte Menschen sich zusammenschließen und für Gerechtigkeit und Teilhabe kämpfen.
So hat ProQuote Film zum Ziel, den Frauenanteil in Bereich Regie, Kamera oder Produktion zu erhöhen. Dazu verhandeln die Aktiven des Netzwerks mit Politiker:innen über eine geschlechtergerechte Vergabe von Fördergeldern oder geben auf Filmfestivals Workshops zu sexistischen und rassistischen Rollenbildern im Film.
Was ist Empowerment Journalismus?

Empowerment Journalismus kritisiert, dass Journalist:innen häufig benachteiligte Communities kurz besuchen, um dann deren Geschichten für eine Mehrheitsgesellschaft oder das Publikum zu Hause aufzubereiten. Dies wird auch Fallschirm-Journalismus (parachute journalism) genannt. Empowerment Journalismus kehrt diese Logik um. Empowerment Journalismus ist primär für diejenigen gedacht, über die berichtet wird. Es geht darum, in Zusammenarbeit mit den Communities die Inhalte zu produzieren, die aus deren Perspektive auch wirklich wichtig sind. Das Ziel: Die Communities sollen durch die Berichterstattung gestärkt werden.
Maya Lefkowich und Kolleg:innen nennen vier Prinzipien des Empowerment Journalismus:
- Verantwortungsübernahme (accountability)
- Gegenseitigkeit (reciprocity)
- Zusammenarbeit (collaboration)
- Community-Fokus (local ownership)
In ihrem Fachartikel stellen sie drei Projekte vor, in denen sie versucht haben, die genannten Prinzipien umzusetzen. Sie berichten von den Erfolgen und Herausforderungen, denen sie in der Umsetzung begegnet sind.
Empowerment-Strategien
im Medienkontext
Im Folgenden stellen wir vier Strategien vor,
die für Empowerment im Medienkontext wichtig sind.
Nothing about us, without us!

Nach rassistischen Anschlägen wird in den Medien oft über die Motive der Täter:innen gerätselt. Die Geschichten der Opfer, ihrer Angehörigen und deren Forderungen bekommen hingegen weniger Gewicht. Dies ist auch einer der Gründe, warum sich nach dem rassistischen Terroranschlag in Hanau im Jahr 2020 die Initiative 19. Februar gegründet hat. Eine ihrer zentralen Forderungen lautet: Erinnern! Und zwar im Zusammenschluss mit den Überlebenden und Angehörigen (s. Empowerment Journalismus). Für Medienschaffende ergibt sich daraus ein wichtiges Prinzip: „Nothing about us without us!“ (Nichts über uns ohne uns!).
„Nothing about us without us!“ meint, dass Menschen bei Themen, die sie als Person oder ihre Community betreffen, sich beteiligen, mitsprechen, mitmachen und mitbestimmen können. Überlege, ob du die Expertise und Perspektive dieser Menschen einbezogen hast, wenn du einen Filmcharakter entwirfst, über einen rassistischen Anschlag berichtest oder verschiedene Standpunkte zu einem Thema diskutierst.
„Nothing about us without us!“ wurde und wird in unterschiedlichen Kontexten von selbstorganisierten Zusammenschlüssen von Betroffenen gefordert. So wurde z.B. die UN-Behindertenrechtskonvention unter dem Motto „Nothing about us, without us!“ verhandelt. Mehr dazu
„Man darf nicht ohne uns über uns reden“, fordert auch Ester Utjiua Muinjangue, Vorsitzende der Ovaherero Genocide Foundation, im Zusammenhang mit einer Sammelklage gegen Deutschland. In der Sammelklage geht es darum eine Entschädigung für den Völkermord an den Ovaherero und Nama und die Enteignung ihres Landes im heutigen Namibia durch die deutsche Kolonialregierung 1904-1908 zu fordern. Mehr dazu
Sichtbarmachen!

Lizenz: CC BY-ND Namensnennung, keine Bearbeitung; Video von: Team Diversify! für Diversify! Webseite für diversitätsbewusste Mediengestaltung
Videoaufnahme: November 2018
„Ah okay, die Person kommt auch aus einer Arbeiter:innenfamilie oder Armutskontexten und hat es geschafft“, sagt Nenad Čupić und plädiert für eine Sichtbarmachung als Empowermentstrategie.
Tanja Abou ist Social-Justice Trainerin und Sozialarbeiterin und Nenad Čupić ist Trainer und Berater für Antidiskriminierung. In dem Interviewausschnitt rät Nenad Čupić Medienschaffenden, die Klassismuserfahrungen gemacht haben, die eigene Klassensozialisation und Klassenposition sichtbar zu machen und somit andere Menschen zu empowern.
Safe Spaces schaffen
Safe Spaces (Schutzräume) sind Räume oder Gemeinschaften, in denen Menschen mit ähnlichen Diskriminierungserfahrungen zusammenkommen. Zum Beispiel Räume für queere Menschen oder Personen mit Rassismuserfahrungen. Als Medienschaffene kann es für dich empowernd sein, dich mit Personen zusammenzutun, die ähnliche Ausgrenzungserfahrungen beispielsweise als Journalist of Color oder Kamerafrau gemacht haben.


Safe Spaces sind Räume, in denen marginalisierte Menschen zum Beispiel:
- einfach sein können
- eine Mehrheitserfahrung haben
- nicht komisch angeschaut, beleidigt oder gar körperlich angegriffen werden
- sich nicht anders oder komisch fühlen, sondern als normaler Teil einer Gemeinschaft
- sich nicht für ihr Aussehen oder ihre Art zu sprechen rechtfertigen müssen
- sich mit anderen über gemeinsame, leidvolle Erfahrungen von Diskriminierung austauschen können
- einfach gemeinsam Spaß haben
- Strategien zum Umgang mit Diskriminierungen und Möglichkeiten des Heilens dieser Verletzungen teilen können
Safe Spaces sind eine Notwendigkeit für Marginalisierte, um Kraft zu tanken und Luft zu holen. Diese Menschen sind tagtäglich mit blöden Sprüchen, abwertenden Blicken, seltsamen Fragen, Ablehnung von Bankkrediten und Mietverträgen oder auch mit körperlicher Gewalt konfrontiert. Safe Spaces bilden ein Gegengewicht zu alltäglichen Diskriminierungserfahrungen. Frauenräume schließen also nicht Männer aus. Stattdessen bieten sie Raum für Austausch in einer Welt, in der Frauen tagtäglich Übergriffen ausgesetzt sind.
Das Konzept des Safe Space (Schutzraum) hat seine Wurzeln in der queeren Szene in den USA. Trans* Personen, Lesben und Schwule trafen sich in den 1960er und 1970er Jahren in geheimen Bars. Dort konnten sie ihre Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung frei ausdrücken, ohne dafür verurteilt oder zusammengeschlagen zu werden. Solche Bars wurden jedoch regelmäßig von der Polizei kontrolliert. Anwesende erfuhren Repression und Gewalt. Auf eine solche Razzia folgte eine mehrtägige Auseinandersetzung mit der Polizei, die insbesondere auch von trans* Frauen of Color angeführt wurde. Diese sogenannten Stonewall Riots werden auch als die Geburtsstunde des Christopher Street Day bezeichnet.
Gleichzeitig sind Safe Spaces auch keine komplett macht- und hierarchiefreien Räume. Denn: Identitäten und Machtverhältnisse überkreuzen sich (s. Intersektionalität). So wird eine Schwarze Sounddesignerin am Set vielleicht für die Putzfrau gehalten, während dieser eine weißen Sounddesignerin nicht passiert. Beide sind von einem Kollegen aber schon mal unangemessen angefasst worden. Es ist wichtig, unterschiedliche Diskriminierungserfahrungen in Safe Spaces mitzudenken. Sonst besteht die Gefahr eine vermeintliche Einheitlichkeit zu glorifizieren.
Netzwerken
Als von Diskriminierung betroffene Person ist es hilfreich sich ein Netzwerk aufzubauen. Ein Netzwerk kann sich auch aus betroffenen Menschen und Menschen, die bereit sind als Verbündete aktiv Antidiskriminierungsarbeit zu leisten, zusammensetzen. Netzwerke können bestärkend sein und helfen Chancen (z.B. im Beruf) zu bekommen.

Lizenz: CC BY-ND Namensnennung, keine Bearbeitung
Video von: Team Diversify! für Diversify! Webseite für diversitätsbewusste Mediengestaltung
Videoaufnahme: Januar 2019
„Lasst euch nicht demotivieren!“ „Wenn mehr Betroffene in den Redaktionen sind, entsteht automatisch eine Dynamik in der man sich unterstützt“, rät Poliana Baumgarten Medienschaffenden of Color.
Poliana Baumgarten ist Videografin und Filmemacherin. Sie arbeitet als Videojournalistin für das Online Magazin ze.tt. Poliana Baumgarten nennt in dem Interview mehrere empowernde Strategien für marginalisierte Medienschaffende. Sie findet es wichtig, sich ein Netzwerk aufbauen. Sie kritisiert, dass marginalisierten Menschen zu wenig Mittel und Ressourcen zur Verfügung stehen, um Zugänge zur Medientätigkeit zu bekommen. Sie fordert, strukturell ein erweitertes Angebot zu schaffen und plädiert dafür Leuten eine Chance zu geben. Sie erwähnt Medienschaffende, die durch ihre Arbeit empowern und erzählt über ihre Arbeitsweisen.
Shownotes
Mehr
Hast du den Auftrag Veranstaltungen mit sensiblen Themen zu dokumentieren? Unter Rechte und Lizenzen findest du dazu Handlungsoptionen.
Hier findest du mehr dazu, was es bedeutet Verbündete:r zu sein
Websites
- Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland e.V. (ISD) veranstaltet jährlich ein Bundestreffen für ausschließlich Schwarze Menschen und PoC.
Podcasts
- Malcom Ohanwe und Marcel Aburakia: Kanackische Welle,
- Alice und Maxi: Feuer und Brot,
Tupoka Ogette: Tupodcast ,
Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raúl Krauthausen: Die Neue Norm,
Lúcia Luciano und Gizem Adiyaman (hoe_mies): Realitäter*innen
Sarah Borowik-Frank: Hustle Tov „Wir machen jüdisches Leben hörbar und sichtbar“
Delal und Erva: Gedankensalat
Minh Thu Tran und Vanessa Vu: Rice and Shine
Xinan und Cuso: DIASPOR.ASIA Podcast
Videos
Kurztipps
Empower andere und
lasse dich empowern
- Informiere dich über Netzwerke, schaffe Netzwerke.
- Erkenne deine spezifische Erfahrung aufgrund von Diskriminierung als Stärke an und sehe das Expert:innenpotential.
- Suche nach und/oder schaffe Safe Spaces (Schutzräume).
- Gehe (wenn du dich sicher fühlst) offen mit deinen Diskriminierungserfahrungen um, um andere Betroffene zu bestärken.
- Folge anderen marginalisierten Medienschaffenden auf Social Media, schaue empowernde Filme, lese bestärkende Bücher und lasse dich inspirieren.
Empowerment fördern,
Verbündete:r sein
- Nimm Medien-Kolleg:innen mit Diskriminierungserfahrung lästige Arbeiten ab, damit sie Zeit haben, sich und andere zu empowern.
- Safe Space: Erkenne Schutzräume an, respektiere diese und dein "Verbot" teilzunehmen.
- Schaffe strukturelle Zugänge für marginalisierte Menschen (z.B. durch Empfehlung für ein Stipendium).
- "Nothing about us without us!": Hole in der Entwicklung deiner Medien die Perspektive Betroffener ein und höre zu. Betrachte dabei jede Person als Subjekt mit vielen Lebenserfahrungen.
- Zeige dich als Verbündete:r und trete gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung ein.
- Wenn du Zugang zu geschützten Räumen von Communities hast und dein Auftrag ist Veranstaltungen zu dokumentieren, sind Absprachen mit Anwesenden und Transparenz besonders wichtig.