- Jüd:innen stereotype oder verallgemeinernde Eigenschaften zugeschrieben werden
- der Holocaust geleugnet oder relativiert wird
-
eine Täter:innen-Opfer-Umkehr stattfindet
(wie z.B. mit dem Begriff der „Auschwitzkeule“) - für ein Ende der Erinnerungskultur plädiert wird
- das Existenzrecht Israels geleugnet wird
-
die israelische Politik mit dem Nationalsozialismus verglichen
und/ oder gleichgesetzt wird -
antisemitische Codes zur Bezeichnung für Jüd:innen genutzt werden
(z.B. „Ostküstenlobby“, „Rothschilds“ oder „Rockefellers“) - "Jude" als Schimpfwort verwendet wird
- beurteilt wird, wie "jüdisch/unjüdisch" eine Person aussieht.
Antisemitismus
Sprache
Wann ist eine Aussage antisemitisch?
Ob bewusst oder unbewusst gesagt: Antisemitische Äußerungen verbreiten Stereotype, welche die Basis einer antisemitischen Einstellung darstellen. Es ist also gerade für Medienschaffende wichtig, sich des antisemitischen Gehalts bestimmter Formulierungen bewusst zu sein, um deren Benutzung zu vermeiden und so vorhandene Vorurteilssysteme nicht zu stärken. Entsprechend der unterschiedlichen Ausdrucksformen von Antisemitismus kann auch verbaler Antisemitismus verschiedene Formen annehmen.

Aussagen gelten als antisemitisch, wenn:
Nicht nur solche eindeutigen Aussagen sind antisemitisch, auch die folgenden Sprachhandlungen können antisemitisch sein, wenn zum Beispiel:
- ganz selbstverständlich private Fragen über die Familie von Jüd:innen (z.B. Überleben der Familie während des NS oder andere Familienverhältnisse) gestellt werden
- Jüd:innen und Israelis nicht unterschieden bzw. alle Jüd:innen mit Israel in Verbindung gebracht werden
- Aussagen selbstverständlich mit Religion in Verbindung gebracht werden, selbst wenn Jüd:innen über andere Aspekte sprechen
Bei dem Projekt »Nichts gegen Juden« von der Amadeu Antonio Stiftung werden antisemitische Vorurteile entlarvt und aufgeklärt. An 10 gängigen antisemitischen Stereotypen werden Argumentationshilfen gegeben, um Antisemitismus zu widersprechen.
Gängige Formulierungen hinterfragen –
Präzise formulieren!

Generell macht es Sinn die eigenen Formulierungen kritisch zu hinterfragen, wenn wir über Jüd:innen sprechen, hier einige Bespiele aus dem Medienalltag:
- Macht es wirklich Sinn über "jüdische Mitbürger/ Mitbürger:innen" zu sprechen oder meinen wir vielleicht "jüdische Bürger/ Bürger:innen". Wäre vielleicht sogar "jüdische Menschen in Deutschland" oder "Jüd:innen in Deutschland" möglich?
- Meinen wir wirklich jüdische "Religiongemeinschaft" oder "Glaubensgemeinschaft" – also wollen wir tatsächlich nur von gläubigen Jüd:innen sprechen oder meinen wir eigentlich die gesamte jüdische Gemeinschaft?
- Was meinen wir mit "dem Judentum" oder "der jüdischen Kultur"? Ist das vielleicht eine stereotype Verallgemeinerung? Meine ich alle Judentümer, alle jüdischen Kulturen (dann sollte ich das in der Pluralität sichtbar machen, weil DAS Judentum gibt es nicht) oder beziehe ich mich auf bestimmte Strömungen?
„Die jüdische Identität bleibt in deutschen Vorstellungen gefangen. Ich sehe darin eine Fortsetzung des tief verwurzelten deutschen Antisemitismus, der jüdische Stimmen einkapselt und kontrolliert und ihnen die Vielfalt und Heterogenität der jüdischen Identität abspricht und unterbindet, um sie zu politischen und ideologischen Zwecken zu instrumentalisieren. Der jüdischen Gemeinschaft wird in Deutschland nicht gestattet, eine plurale, heterogene Gemeinschaft mit ihren eigenen Spannungen und Meinungsverschiedenheiten zu sein, die nicht von einer einzigen politischen Stimme vertreten wird. Das ist antisemitisch.“
Emilia Roig, „Deutsche Befindlichkeiten stehen wie immer im Mittelpunkt„, von Emilia Roig, Candice Breitz und Tomer Dotan-Dreyfus, Ausschnitt einer Veranstaltung, die unter dem Titel »Jüdischsein im antisemitischen und philosemitischen Klima Deutschlands« am 9. Dezember 2023 in Berlin
Link zum Video der ganzen Diskussion „Negotiating Jewishness in the Anti-/Philosemitic German Climate“ (auf Englisch)
Es gibt nicht
"die Jüd:innen"
Viele wissen nichts über die Vielfältigkeit jüdisches Lebens. Im Judentum gibt es unterschiedliche Auslegungen und Ursprünge. Für die mediale Berichterstattung werden im Glossar der Neuen deutschen Medienmacher:innen folgende Begriffe aufgelistet:
Aschkenasim/Ashkenazim/Aschkenasen bezeichnet Jüdische Menschen aus Nord-, Mittel und Osteuropa, wie z.B. Deutschland. Sie bilden heute die größte Gruppe im Judentum.
Sephardim (auch: Sefardim) ist die Bezeichnung für Jüdische Menschen aus Spanien und Portugal. Sie wurden 1492/95 von der iberischen Halbinsel vertrieben.
Misrachim (von hebräisch «Misrach» = Osten) ist eine Bezeichnung jüdischer Menschen aus der arabischen Welt, anderen muslimischen Ländern, Indien, Kaukasus und Georgien.
Quelle: Glossar der Neuen deutschen Medienmacher:innen, S. 36 ff.
Jüd*innen
Jüd:innen
Jüdinnen und Juden
Jüdinnen_Juden
Gendern – aber wie?
Es finden sich zahlreiche Versionen und genauso zahlreiche Debatten dazu, wie jüdische Menschen am besten gegendert werden sollten. Es ist übrigens keine adäquate Lösung einfach immer „jüdische Menschen“ zu schreiben, nur weil es bis heute gesellschaftlich eine Scheu davor gibt die Worte „Jude“ und „Jüdin“ zu verwenden. Viele Jüd:innen finden es deshalb unangenehm, wenn das Substantiv konsequent vermieden wird.
Ein kurzer Überblick über die Debatten:
Das * (Sternchen) wird von einigen Jüd:innen abgelehnt, weil es sie an die Markierung mit den gelben „Judensternen“ erinnert.
Der _ (Unterstrich) oder : (Doppelpunkt) wird von einigen Jüd:innen genutzt, um damit nicht nur die Multigeschlechtlichkeit des Judentums, sondern auch die Lücken an jüdischer Kultur und das Fehlen von jüdischen Menschen in Deutschland sichtbar zu machen.
Die Doppelnennung (Jüdinnen und Juden) wird vor allem von Menschen genutzt, die eine Unterbrechung in der Wortmitte des Wortes „Jüd:innen“ als unpassend empfinden, weil „Jüd“ historisch auch eine antisemitische Verwendung gefunden hat.
Das Ausschreiben mit _ (Jüdinnen_Juden) wird von Menschen verwendet, die die Worttrennung im Wort, aufgrund der antisemitischen Historie von „Jüd“ vermeiden möchten, aber gleichermaßen genderinklusiv von Jüd:innen sprechen möchten. Auch hier findet sich häufig zusätzlich der Vermerk, dass der Unterstrich zusätzlich für die jüdischen Leerstellen in der deutschen Gesellschaft stehen.
Generell sollten bei den binären Schreibweisen Jüdinnen immer zuerst genannt werden, da gemeinhin die jüdische Norm als männlich wahrgenommen wird.
Trotz berechtigter Kritik und problematischer antisemitischer Historie an der Schreibweise Jüd:innen, haben wir uns wegen der Einheitlichkeit auf der gesamten OER und der damit einhergehenden Barrierearmut dazu entschieden das Format des Genderns mit Doppelpunkt auf dieser OER auch zur der Darstellung der Multigeschlechtlichkeit von Jüd:innen anzuwenden.
Reflexionsübung
Überlege Dir folgendes:
- Wann habe ich das erste Mal etwas über Jüd:innen gelernt?
- In welchem Kontext? (z.B. Grundschule, Oberstufe, Ausbildung, Studium)
- Und was war das Thema?
Du kannst auch einen Zeitstrahl zeichnen.
Fertig? Jetzt überlege, ob Du wirklich etwas über Jüd:innen gelernt hast. Folgende Fragen können dir bei der Reflexion helfen:
- Wie wurde über Jüd:innen gesprochen?
- Werden Jüd:innen in einer bestimmten Rolle dargestellt oder exotisiert?
- Welche lebenden Jüd:innen wurden thematisiert? In welchem Zusammenhang?
Wenn das Thema der Holocaust war, dann z.B. auch:
- Hast du wirklich etwas über Jüd:innen gelernt oder vielmehr über Deutsche?
- Was genau hast du über Jüd:innen gelernt?
- Waren sie Subjekte ihrer Geschichte oder Objekte eines furchtbaren Schicksals?
Wenn z.B. das Judentum im Religions- oder Ethikunterricht gelernt wird:
- Hast du wirklich etwas über Jüd:innen gelernt?
- Oder vielleicht doch eine simplifizierte Darstellung "jüdischer Riten"?
- Was genau hast du über jüdische Identität, Religion und Lebenswelten gelernt?
Oft wird uns suggeriert wir lernen etwas über Jüd:innen, dabei lernen wir vor allem was ihnen angetan wurde. Wir erfahren meist nur von toten Jüd:innen oder simplifizierten Bildern jüdischer Traditionen.
Wichtig ist, dass uns bewusst ist: Über Antisemitismus sprechen bedeutet nicht zwangsläufig über Jüd:innen sprechen. Auch über „das Judentum“ zu sprechen bedeutet nicht immer, dass Jüd:innen die jüdische Realität abbilden, Jüd:innen vorkommen, geschweige denn selbst Raum für eine realistische Darstellung ihrer eigenen Wirklichkeit finden.
Weiter zu Bild und Ton:
Antisemitismus wird auch auf der Bild- und Tonebene reproduziert – finde heraus, wie du bessere Bilder produzieren kannst.